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Das „Smokkelmuseum“ in Overdinkel

Erinnerungen an ein untergegangenes Museum

Smokkelmuseum Overdinkel Eingangsschild.

Zur grenzüberschreitenden Landesgartenschau 2003 in Gronau und Losser wurde seinerzeit in einem Nebengebäude der Gaststätte „Saksenstal“ in Overdinkel ein kleines „Smokkelmuseum“ eingerichtet. Auch nach Ende der Gartenschau blieb dieses Museum ein beliebtes Ziel für alle, die noch eigene Erinnerungen an Zoll und Grenzkontrollen hatten. Leider brannte das gesamte Anwesen inklusive eines dort ebenfalls untergebrachten Textilmuseums im August 2012 restlos nieder. Das Museum erlitt einen Totalverlust und konnte aufgrund der Zerstörung sämtlicher Exponate nicht wieder eröffnet werden.

Was war das Besondere am „Smokkelmuseum“ in Overdinkel? Es zeigte in unterhaltsame Weise und in interessanten Inszenierungen die einfallsreichen Tricks der Schmuggler, aber auch das Vorgehen der Zöllner, die den Delinquenten immer wieder auf die Schliche kamen oder sich auf ihre Weise an den Zollverweigerern „erkenntlich“ zeigten.

Ein typisches Exponat waren die sogenannten „Schmugglerholzschuhe“, bei denen Sohle und Absatz in umgekehrter Richtung eingearbeitet waren. So konnten die Schmuggler mit ihren Fußabdrücken die Zöllner in die falsche Richtung lenken. Ob das in der Realität wirklich funktioniert hätte, darf bezweifelt werden, aber es wurde entlang der Grenze immer gerne davon erzählt.

Nachgebildet waren im „Smokkelmuseum“ auch die sprichwörtlichen Schweinsblasen, in denen einst alkoholische Getränke steuerfrei über die Dinkel und andere Flüsse in das Nachbarland befördert wurden.

Liebevoll und mit zahlreichen Details inszeniert waren einige Dioramen von den Zollstationen an den vielbefahrenen Grenzübergangsstellen im Raum Gronau/Enschede. Da durfte der Übergang Tiekerhook mit einem getarnten Feldwächter und einem abgerichteten Schmugglerhund nicht fehlen. Welches Gericht sollte so ein armes Tier schon belangen?

Motorräder dienten nicht nur Schmugglern wie Zöllnern als flottes Fortbewegungsmittel, sie verleiteten auch viele Kraftfahrer zum Schmuggeln von Benzin. Die Tankbehälter wurden dabei gut getarnt im oder am Fahrzeug versteckt angebracht. Auch für Kaffeebohnen oder anderes Schmugglergut waren solche Behältnisse geeignet.

Zahlreiche Grenzdokumente waren im „Smokkelmuseum“ zu sehen, etwa von den vielen Textilarbeiten, die jeden Tag von Overdinkel aus die Grenze überquerten, um in den Textilfabriken in Gronau zu arbeiten. Viele dieser Firmen gehörten niederländischen Eigentümer und sie waren nur aus zollrechtlichen Gründen auf der deutschen Seite errichtet worden. Darüber konnten auch Namen wie „Germania“ oder „Deutschland“ nicht hinwegtäuschen und in Gronau hieß es damals: je deutscher der Name, desto holländischer die Firma!

Zur Fotosammlung des Museums zählten natürlich Aufnahmen von Grenzübergängen und Zöllnern im Dienst, während sich die Schmuggler bei ihrer Arbeit aus verständlichen Gründen nicht so gerne fotografieren ließen. In Erinnerung blieb mir das Bild eines holländischen Zollbeamten in Uniform, aber mit Klompen (Holzschuhen) an den Füßen. Und natürlich die (gestellte) Aufnahme „De schrik der Smokkelaren“ (der Schrecken der Zölnner), die offenbar bei einer gleichnamigen Theateraufführung entstanden war. Den Spaß der Zuschauer kann man sich beim Betrachten des Bildes leicht vorstellen.

Ein Prunkstück des Museums war ein gusseisernes Hoheitszeichen von einem holländischen Zollamt aus dem 19. Jahrhundert. Doch markige Schriftzüge und imposante Wappen, Löwenfiguren und die niederländische Königskrone konnten die Schmuggler von ihrer Tätigkeit nicht abhalten.

Ein beliebtes Schmugglergut war holländische Butter, die man in kleinen Mengen leicht in der Kleidung verstecken konnte. Besonders Frauen waren darin sehr geschickt. Wurden häufige Delinquentinnen dabei vom Zoll ertappt, dann sperrte man sie in einen gut geheizten Raum oder an den warmen Ofen, wo sie angeblich auf eine weibliche Zollbeamtin warten mussten, denn nur die durften bei Frauen Leibesvisitationen vornehmen. In der Regel ließ sich der Zoll dabei aber reichlich Zeit, während sich die Butterpäckchen in der Wärme allmählich verflüssigten. Diese bekannte Szene durfte natürlich im „Smokkelmuseum“ nicht fehlen.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete in Overdinkel das Schmuggeln mit dem Fahrrad bzw. das Schmuggeln von Fahrrädern. Auch Fahrradrahmen waren durchaus dazu geeignet, Kaffeebohnen in haushaltsüblichen Mengen unerkannt über die Grenze zu schaffen. So konnte manche Familie ihren eigenen Bedarf preiswert decken oder sich ein kleines Zubrot verschaffen. Denn wer wollte die vielen hundert Fahrräder der Textilarbeiter morgens und abends schon kontrollieren?

Zwischen 1924 und 1941 gab es in den Niederlanden eine Fahrradsteuer. Radfahrer mussten eine entsprechende Metallplakette am Fahrrad oder an ihrer Kleidung befestigen und stets mit sich führen. Auch deutsche Radfahrer waren verpflichtet, bei Fahrten auf niederländischem Staatsgebiet die Fahrradsteuer zu entrichten und konnten an der Grenze für eine Tagesgebühr eine entsprechende Pappkarte zum Befestigen am Fahrrad erwerben – damals auch ein beliebtes Reiseandenken!

Einen Einblick in die aktuelle Schmuggeltätigkeit an der Grenze gab ein rekonstruierter Blick in eine Asservatenkammer der Zollbehörde. Kaum vorstellbar, welche Verstecke sich Schmuggler auch heutzutage immer wieder ausdenken, um zum Beispiel Drogen, aber auch unversteuerte Zigaretten illegal über die Grenze zu bringen.

Am Ende der Ausstellung lockte schon 2003 eine Fotostation, die man heute wohl als selfie-point bezeichnen würde. Ab smartphones und selfies kannte man damals noch nicht. Die hätten den Schmugglern ja ganz neue Möglichkeiten eröffnet. An dieser Station konnte man für ein Foto in die Gestalt eines Schmugglers schlüpfen und hatte damit gleichzeitig eine schöne Erinnerung an das Museum. So wurde auch ich zumindest einmal zu einem Schmuggler, was ich mich – das kann sich ja jeder denken, der mich kennt – in der Realtität natürlich nie getraut hätte.

 

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