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"Dinxperwick" setzt Impulse

Kultur und Austausch statt Schlagbäumen und Barrieren

Das neue Ortsschild an der Sporker Straße umsäumt von Einwohnern.
 

Europäisch denken, (eu)regional planen, lokal handeln – Anmerkungen zur Dorfentwicklung in Dinxperwick im regionalen Kontext.

Es begann mit einem großen grenzüberschreitenden Fest auf unserer Weide zwischen Hahnenpatt und Lange Fohre im September 2010: Jemand hatte in einem Archiv in Paris ein Dokument gefunden, aus dem hervorging, dass Dinxperlo und einige Bauernhöfe im heutigen Suderwick bereits vor 750 Jahren existierten. Von Suderwick, also dem südlichen Viertel Dinxperlos, war namentlich damals noch nicht die Rede. Aber damit war Dinxperlo beinahe über Nacht um einige Jahre älter geworden, hatte man doch erst 1981 die 700 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung groß gefeiert. Die 750-Jahrfeier wäre demnach erst für 2031 zu erwarten gewesen. Gemeinsam machten die Stichting Bewaar `t Olde (Dinxperlo) und der Heimatverein Suderwick das Beste daraus und organisierten ein sehr gelungenes Fest mit Umzug von Dinxperlo bis zur Festwiese und einem sehr abwechslungsreichen Programm in Stall und Scheune und unter freiem Himmel.

Damit war die Bezeichnung „Dinxperwick“ zum ersten Mal in Gebrauch. In Verbindung mit einer 2013 gegründeten Bürgerinitiative haben wir den schönen neuen Namen für das ganze Dorf wieder aufgegriffen und ihn zum “Markenzeichen” für die gemeinsamen Aktivitäten gemacht. Diese konzentrierten sich zunächst auf die Abwehr eines drohenden Kiesabbaus unmittelbar an der Grenze. Nach der erfolgreichen Abwehr dieser Bedrohung durch ein Kiesabbauunternehmen aus dem Rheinland richteten sich unsere Aktivitäten mehr und mehr auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Dorf- und Regionalentwicklung im Achterhoek und im Westmünsterland.

Angestachelt durch unsere Vision von einem europäischen Dorf Dinxperwick und einer grenzüberschreitenden Subregion „Bocholter Land“ , halten wir uns selbst und unsere Mit-Akteure, vor allem in den Kommunen Aalten (NL) und Bocholt (D) dazu an, in möglichst allen Themen des gemeinsamen Lebens und Handelns über die Grenzen hinweg zu blicken und zu agieren und dabei in möglichst vielen Politikfeldern gemeinsame Ziele zu bestimmen und anzugehen.

Bei diesen Aktivitäten fangen wir nicht bei Null an, sondern bauen auf bestehende Strukturen auf; so haben z.B. die beiden Kommunen Aalten und Bocholt seit Jahren einen gemeinsamen Beratungsausschuss, der aber in manchen Jahren Mangel an gemeinsamen Themen und vor allem an klaren Zielen hatte. Dies hat sich nicht zuletzt durch die gemeinsame Aktivität im Rahmen der beiden europäischen Entwicklungsprojekte LEADER (Regionen Achterhoek und Bocholter Aa) sowie INTERREG V A (Krachtige Kerne / Starke Dörfer) geändert, da diese Projekte die Möglichkeit bieten, an ganz konkreten Entwicklungsthemen wie Dienstleistungen / Servicekultur sowie Familienfreundlichkeit, aber auch an einem grenzüberschreitenden Dorfkonzept  für Dinxperwick zu arbeiten.

Dieses Konzept kann zunächst auf die gemeinsame Geschichte aufbauen, wie sie oben angedeutet wurde:

Dinxperlo und 3 Höfe, die wahrscheinlich im heutigen Suderwick lagen, werden 1260 erstmals urkundlich erwähnt. Suderwick als das „südliche Viertel“ von Dinxperlo hat sich wie die umliegenden Bauernschaften mit dem Kerndorf Dinxperlo entwickelt.

Mit der Bistumsgrenze Münster / Gelderland und der Reformation kamen erste feste Grenzen auf, die vor 250 Jahren (1765) einheitlich geregelt und mit Grenzsteinen markiert wurden. Daran wurde im Laufe des Jahres 2015/16 unter anderem mit den Grenzsteinwanderungen von Dinxperwick bis Oeding erinnert.

Die religiösen Unterschiede spielten im Dorf lange Zeit eine größere Rolle als die nationalen. In den Weltkriegen 1914-18 und 1939-45 wurde die Grenze entlang des Hellwegs durch Stacheldraht befestigt und die Bevölkerung noch stärker behindert.

Seit dem Schengen-Abkommen 1992 sind die Grenzen wieder so offen wie vor 1914, und einer vertieften Zusammenarbeit stehen keine äußeren Barrieren mehr entgegen, sondern nur noch gedankliche Beschränkungen. Juristische und verwaltungstechnische Hindernisse sind aber nach wie vor bedeutsam; ihre Überwindung bedarf eines langen Atems und der Zusammenarbeit zwischen mehreren Verwaltungsebenen.

Regionale Impulse für eine verstärkte Zusammenarbeit über die Grenze

Der Blick kann sich nunmehr richten auf eine gemeinsame Zukunft im europäischen Kontext, getreu dem Motto: Europäisch denken, regional planen, lokal handeln. Zu diesem Zweck vernetzen wir unsere Aktivitäten mit anderen Vereinen und Bürgerinitiativen im ganzen Dorf Dinxperwick und in den Grenzregionen entlang der deutsch-niederländischen Grenze.

Einen starken Impuls für eine verstärkte Zusammenarbeit an der und über die Grenze hinaus gab das „Nachbar- oder Noabertreffen“ am 17. Januar 2015 in Kotten, das von der Stichting Boerengoed Winterswijk zusammen mit der Kreisheimatpflege für Vertreterinnen und Vertreter von niederländischen und deutschen Heimatvereinen, Museen und Initiativen auf die Beine gestellt worden ist und allen Teilnehmern gezeigt hat, wie wichtig und bereichernd die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich ist, wenn es z.B. um die Erinnerung an 250 Jahre Grenze Herzogtum Gelderland / Bistum Münster oder 70 Jahre Befreiung am Ende des Zweiten Weltkriegs geht.

Die guten Erfahrungen vor allem bei den Grenzsteinwanderungen zu Beginn des Jahres 2016 haben dazu geführt, dass die Kontakte auch Richtung Westen (Anholt / Gendringen bis Netterden / Emmerich) fortgesetzt werden – hier sind für unser Dorf Dinxperwick weiter der Heimatverein Suderwick und die Stichting Bewaar `t Olde mit aktiv.

Die gemeinsame Überzeugung im Hinblick auf die weitere Entwicklung lässt sich im folgenden Satz zusammenfassen:

Wichtig an der Grenze sind heute nicht mehr die Schlagbäume und Barrieren, sondern die kulturellen und sprachlichen Übergänge.“

Zum Leben in einer gemeinsamen Region gehört die Entwicklung von sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Daher setzen wir uns dafür ein, die Schulen in Dinxperlo für alle Schüler/innen von Dinxperwick zu öffnen und zu bilingualen / bikulturellen Schulen zu entwickeln.

Hier können Aalten und Bocholt gemeinsam ans Werk gehen und für Dinxperwick als Sozial- und Kulturraum eine passgenaue Lösung für das ganze Dorf entwickeln.

Ein schönes Beispiel, wie eine solche grenzüberschreitende Kooperation im Schulbereich aussehen kann, bieten die Dörfer Kotten und Oeding mit dem Projekt „Sprachen jung lernen / talen jong leren“ - Kotten und Oeding und damit die Kommunen Winterswijk und Südlohn machen damit vor, wie 2 Kommunen die Zusammenarbeit im Grundschulbereich unterstützen und dabei zu neuen, kreativen Lösungen kommen. Wenn die ideelle oder moralische Unterstützung auf der kommunalen Ebene und der Bürgermeister in Person gegeben sind, lassen sich auch andere Verwaltungsebenen bis hin zu den Ministerien begeistern. Dieses Beispiel wollen wir hier in Dinxperwick aufgreifen und für unsere konkrete dörfliche Situation ebenfalls gemeinsam eine passgenaue Lösung für die Zukunft suchen.

Die Zukunft bedeutet für uns: Dinxperwick und der Grenzraum sollen zu einer bilingualen / bikulturellen Zone entwickelt werden, in der der Gebrauch der Nachbarsprache selbstverständlich und im öffentlichen Raum sichtbar wird. In allen kulturellen Institutionen im Grenzraum sollen zudem interkulturelle Aktivitäten für alle Altersgruppen organisiert und ausgebaut werden. Ein schönes Beispiel hierzu leisten die Volkshochschule Bocholt-Rhede-Isselburg und der neue Kulturort Koppelkerk in Aalten-Bredevoort mit ihrer verstärkten Kooperation und mit neuen Angeboten an ein interkulturell interessiertes Publikum, das die jeweils andere Seite nicht nur als Marktplatz für Bier und Käse, sondern als Kulturregion mit unterschiedlichen politisch-kulturellen Diskursen wahrnimmt.

Neue Chancen durch Vernetzung von LEADER und INTERREG – Projekten

Die Teilnahme an den beiden europäischen Entwicklungsprojekten LEADER und INTERREG V A bietet die Möglichkeit, die lokale und kommunale Zusammenarbeit in einen größeren Konzeptrahmen zu stellen und damit auch finanzierbar zu machen. Auch das Schulprojekt in Kotten/Oeding war als INTERREG-Projekt angelegt und wurde u.a. von der RABO-Bank mit 40.000 Euros gefördert.

INTERREG wurde zu Beginn der 90er Jahre von  der Europäischen Union als Teil der Strukturfonds zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit begründet. INTERREG hat sich seither als eines der zentralen Instrumente entwickelt, mit deren Hilfe Unterschiede in der Entwicklung zwischen den europäischen Regionen verringert und der ökonomische und soziale Zusammenhalt zwischen den Grenzregionen gestärkt werden soll. (Nach der offiziellen Webseite des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland https://www.deutschland-nederland.eu/ihr-interreg/facts-figures/)

Dinxperlo und Suderwick nehmen an dem Projekt Krachtige Kernen oder Starke Dörfer teil und dort speziell an 2 Themengruppen, neudeutsch „Communities“ genannt:

1. In der „Service-Community“ bauen die Fachhochschule Münster, die Handwerkskammer Münster, die Kreishandwerkerschaft Borken und die Hochschule Arnhem-Nijmegen (HAN) „Partnerschaften zwischen lokalen Unternehmen und ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern auf, um die Versorgungsstruktur vor Ort zu sichern“ (http://aha24x7.com/grenzuber-schreitendes-projekt-sichert-zukunftsfahigkeit-von-kleinen-dorfern/).

2. Im zweiten Teilprojekt „Family Community“- man könnte auch von der Themengruppe "Familienfreundliches Dorf" sprechen - werden Dörfer als kinderfreundliche und attraktive Lebensräume für Kinder und ihre Familien gestärkt. Dabei ist die aktive Teilnahme von Kindern und Jugendlichen ebenso von Bedeutung wie die Weiterentwicklung familienfreundlicher Infrastrukturen im jeweiligen Sozialraum.

Bei beiden Teilprojekten stehen die Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlicher Erfahrung im Zentrum, denn sie gelten als die wahren Expertinnen und Experten für  ihr eigenes Dorf und die dort benötigten passgenauen Lösungen. (http://aha24x7.com/grenzuber-schreitendes-projekt-sichert-zukunftsfahigkeit-von-kleinen-dorfern/)

Die anderen 4 "Communities" bearbeiteten die  Themengruppen Pflege, Wohnen (u.a. Leerstand-Management), Gesunder Lebensstil und "DNA des Dorfes", wobei hier Themen, die eine Dorfgemeinschaft ausmachen und dazu passende Aktivitäten, die von den Bürgerinnen und Bürgern aufgebaut werden können, erarbeitet werden sollen.

LEADER

LEADER ist ein weiteres Förderprogramm der Europäischen Union (EU). Damit fördert die EU innovative, vorbildliche und beispielgebende Ideen und Maßnahmen in strukturschwachen, ländlichen Gebieten Europas. LEADER steht für Liaison entre Actions de Développement de L´Economie Rurale und bedeutet "Verbindungen zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft".(http://www.deleg.it/deleg/leader.html)

Unter LEADER versteht man also einen Europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.Damit investiert die Europäische Union in die Entwicklung ländlicher Regionen; eine der insgesamt 28 (von 43 möglichen) Regionen in Nordrhein-Westfalen, die in der neuen Förderperiode 2016-20 gefördert werden, ist die Region Bocholter Aa mit den Kommunen Velen, Borken, Rhede, Bocholt und Isselburg.

In die neue Entwicklungsstrategie der Region Bocholter Aa wurden 4 Entwicklungsziele aufgenommen und mit unterschiedlichen Prioritätsgraden versehen:

Höchste Priorität: Entwicklungsziel 1 "Erhalt und Entwicklung der Attraktivität der Region als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum“ wird mit der Priorität 1 durch die Region festgelegt.

Zweithöchste Priorität:  Entwicklungsziel 3 "Nachhaltige Entwicklung der Naturräume und Erschließung der regionalen Resourcen" bekommt Prioritätsstufe 2.

Dritte Prioritätsstufe: Dieser werden Entwicklungsziel 2 "Stärkung der regionalen Wirtschaft" und Entwicklungsziel 4 "Vernetzung und gemeinsame Vermarktung der bestehenden kulturellen und touristischen Angebote" zugeordnet.

Zum Entwicklungsziel 1 gehört auch das Unterziel "Erhöhung der Konzepte und Maßnahmen für zukunftsfähige Stadtquartiere", das in Verbindung mit der von uns angestrebten Dorfentwicklung in Dinxperwick in zweierlei Hinsicht von Bedeutung ist: Erstens können wir so in einer Kooperation zwischen den Anstrengungen im INTERREG V A-Projekt "Krachtige Kernen – Starke Dörfer" systematisch an einem Dorfkonzept arbeiten, das, zweitens, auch der besonderen Situation Dinxperwicks als Zwillingsdorf an der Grenze gerecht wird. Dazu bedarf es dann zusätzlich einer Kooperation zwischen den beiden LEADER-Regionen "Bocholter Aa" und "Achterhoek". Diese von uns angestrebte Kooperation hätte den charmanten Vorteil für beide LEADER-Regionen, das die in der LEADER-Konzeption vorgesehene grenzüberschreitende Zusammenarbeit an einem ganz konkreten Punkt angegangen werden könnte. Dies schließt natürlich nicht aus, dass man die anderen Enwticklungsziele und Unterziele nicht auch systematisch auf Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Kooperation untersucht und dadurch ggf. Neue Projekte und Maßnahmen generiert, auf die man ohne diesen Ansatz nicht gekommen wäre.

In der LEADER-Dokumentation im Internet wird in diesem Zusammenhang auf gelungene Projekte im Länderdreieck Land Tirol (Österreich) und Regierungsbezirke Schwaben und Oberbayern (Deutschland) sowie in Südtirol (Vinschgau) hingwiesen.

Für Dinxperwick erhoffen wir uns durch den Austausch im LEADER-Prozess wie in den Themengruppen bei INTERREG V A sowohl inhaltliche Anregungen als auch Unterstützung bei einem systematischen Ansatz zu einem tragfähigen Dorfkonzept, das uns dem Ziel "europäisches Dorf" Schritt für Schritt näherbringt.

 

Dinxperwick, den 12. 06. 2016                                             Werner Brand

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