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Tee für die Kaiserliche Hoheit

Leben auf der Wasserburg Anholt

Fotografie Wasserburg Anholt als Wohnraum 1953. Drei Kinder vor der Burg.
 

Meine Eltern waren beide bei der Fürstlichen Familie auf der Wasserburg Anholt beschäftigt. Im Jahre 1960, ich war 12 Jahre alt, wohnte Marie-Christine, Erbprinzessin zu Salm-Salm, genannt "Kaiserliche Hoheit" (* zu Krakau am 17. November 1879, + zu Anholt am 6. August 1962), in der Vorburg der Wasserburg. Sie lebte dort allein, nur mit Personal für Haushalt und Küche, nachdem die Hauptburg im März 1945 von Bomben getroffen worden war. Ihre Kaiserliche Hoheit war Wild- und Rheingräfin, Erzherzogin von Österreich, Königliche Prinzessin von Ungarn und ein Mitglied des österreichischen Kaiserhauses und eine nahe Verwandte des früheren Kaisers Franz Joseph.

Alle Kinder, die auf der Burg wohnten, nannten sie „Kaiserliche Hoheit". Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten einige Familien auf der Burg. Zum Teil waren es Familien, die im Dienst der Fürstlichen Familie standen, zum Teil waren es auch Familien, die nach dem Krieg keine andere Unterkunft hatten oder es waren Familien, die aus dem Osten geflohen waren und hier eine Notunterkunft fanden.

Vor dem Krieg wohnte die Kaiserliche Hoheit und auch ihr Sohn, Nikolaus Leopold Fürst zu Salm-Salm mit seiner Familie auf der Wasserburg. Exakt 40 Jahre nach dem Tod der Kaiserlichen Hoheit zogen im Jahre 2002 Carl-Philipp Fürst zu Salm-Salm und Elisabeth Fürstin zu Salm-Salm vom Schloß Rhede nach Anholt in die Wasserburg. Von Bürgern und Vereinen wurde sie empfangen und willkommen geheißen.

Vor dem Krieg war mein Vater Diener und trug z.B. das Essen auf. Meine Mutter arbeitete in der Schlossküche. Nach dem Krieg war mein Vater als Hausmeister tätig, besetzte die Pforte am Eingangstor und bediente die Telefonanlage. Meine Mutter war aus heutiger Sicht „geringfügig beschäftigt" und arbeitete für die Kaiserliche Hoheit. Wir wohnten auch in der Vorburg und waren über eine hauseigene Telefonanlage auch mit der Kaiserlichen Hoheit verbunden.

Die Kaiserliche Hoheit war befreundet mit der Urgroßmutter des heutigen Niederländischen Königs Wilhelm Alexander, Armgard Lippe-Biesterfeld. Sie kam regelmäßig, auch mal überraschend vorbei und besuchte ihre Freundin Marie-Christine. Wenn sie mit ihrem Chauffeur in dem großen schwarzen Chevrolet durch den dunklen Torbogen unter dem Zwiebelturm herankam, sah man kaum, dass überhaupt jemand im Auto saß. Beide Personen, Armgard Lippe-Biesterfeld und auch der Chauffeur waren sehr klein.

Es war ein Sonntag; die Kaiserliche Hoheit rechnete nicht mit Besuch. So hatten Johanna Epping und Louise Messing frei. Die Kaiserliche Hoheit rief nachmittags so gegen 15:30h über das Haustelefon bei uns an: „Kann der Fritz mal helfen, ich habe überraschend Besuch bekommen!" Ich ging in die Wohnung der Kaiserlichen Hoheit und sie sagte mir gleich: Ich habe Besuch bekommen, wir hätten gerne einen Tee, Toast, Butter und Marmelade. So ging ich in die Küche und habe schwarzen Tee und Toast vorbereitet. Die besondere Herausforderung war, die Butterkugeln fertigzubekommen. Ein kleines Stückchen Butter nimmt man und greift es zwischen zwei Holzbrettchen und bewegt bis das Butterstücken zu einer Kugel geformt war. Ob es diese Brettchen heute noch gibt? Ich würde es vermutlich nicht mehr hinbekommen. Schließlich fuhr ich mit dem Servierwagen von der Küche über den Flur in den Salon der Kaiserlichen Hoheit und präsentierte mein Werk. Die Kaiserliche Hoheit meinte: "Schau mal Armgard, mein Personal hat frei aber wir bekommen trotzdem unseren Tee."

Auch andere Erlebnisse sind in meiner Erinnerung, ein Beispiel: So trafen sich die sogenannten „Schlosskinder" an den Adventssonntagen zum Singen bei
der Kaiserlichen Hoheit um 20:00 Uhr im Speiseraum am ovalen Tisch. Hier gab es Spekulatius und als Getränk Orangensaft. Es wurden mit der Kaiserlichen Hoheit etwa eine Stunde lang Advents- und Weihnachtslieder gesungen.

 

Fritz Ernst, geboren im August 1947, wohnhaft von 1947 bis 1965 auf der Wasserburg. Anholt im Juni 2018

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