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Zum Tanzen nach Enschede

Heirat über die Grenze

Hochzeitsfahrt 1.
 

Ich bin 1940 im Sudetenland geboren; unsere Mutter ist mit uns drei Kindern bei Kriegsende vom Sudetenland vertrieben worden und ist nach über einem halben Jahr in Epe gelandet. Angekommen sind wir in einem Viehwaggon. Anfang 1947 kam mein Vater zu uns – er hatte meine Mutter übers rote Kreuz gefunden. Mein Vater war vor dem Krieg Polizist gewesen und hat in Epe schnell wieder eine Anstellung bekommen als Polizist. 1951 wurde mein Vater nach Gronau versetzt. Dort haben wir in der Gilderhauserstraße, in einem alten Haus, in dem auch die Polizei untergebracht war und wo sogar ganz früher im Keller unten noch ein Gefängnis war, eine Wohnung bekommen. 1956 habe ich eine Lehre bei einer Zahnärztin angefangen, die Praxis lag gegenüber der Sparkasse. Da habe ich viele Leute kennengelernt – alle mussten ja mal zum Zahnarzt!

Ich war sehr behütet durch meine zwei Brüder; sie achteten sehr auf die Regel, dass ein Mädchen nicht allein aus geht. Mein Vater war sogar weniger streng als meine Brüder. Meine Brüder waren zehn und eineinhalb Jahre älter als ich. Wir gingen dann zusammen zum Lambertihof oder zur Concordia, wo man eben tanzen ging. Und da gingen meine Brüder immer mit.

Meine Brüder waren im Juni 1961 zusammen in die Berge gefahren. Der ältere hatte bereits eine Freundin, die war sehr lebenslustig. Sie fuhr gerne auch nach Enschede zum Tanz, und so sind wir dann an einem Sonntag dorthin zum Tanz gefahren. Der Tanz begann um fünf Uhr, und da habe ich meinen Mann kennengelernt. Ich sprach kein Wort Niederländisch. Mein Mann, ein Niederländer, hat mich zum Tanzen aufgefordert, er sprach sehr gut deutsch. Da hat er mir erzählt, dass er aus Hellendorn komme, dass er aber jetzt Urlaub hatte, denn er war zweiter Offizier auf der „Kaltex Eindhoven“, das war ein Öltanker. Er hatte gerade Urlaub und war mit seinem Bruder nach Enschede gefahren, um den Sportwagen zu testen, den er sich vor kurzem gekauft hatte.

Er erzählte mir, dass er nur noch ein paar Tage Urlaub habe und fragte mich, ob wir uns nochmal sehen könnten. Und weil ich am Mittwoch Nachmittags frei hatte – ich arbeitete ja bei einer Ärztin – haben wir uns für Mittwochnachmittag verabredet. Als ich meinen Eltern erzählte, ich hätte einen Seemann kennengelernt, waren sie nicht so begeistert, denn der Spruch „In jedem Hafen ein anderes Mädchen“ war ja ziemlich bekannt.

Wir haben uns an der Grenze verabredet; für mich bedeutete das eine halbe Stunde laufen von der Gilderhauserstraße her. Am Grenzübergang Glanerbrug standen noch die Grenzbäume. Meine Mutter hatte gesagt: „Du nimmst deinen Pass nicht mit, du bleibst in Deutschland.“ Ich habe ihn dann doch eingesteckt. Ich kam an der Grenze an, da stand er auf der holländischen Seite und winkte. Dazwischen war ja noch das Niemandsland, zehn Meter. Er winkte; ich winkte zurück, er sollte rüberkommen. Er gab mir zu verstehen, dass er den Pass nicht dabeihatte. So ging ich dann doch rüber. Er meinte: „Ich habe nicht daran gedacht, dass ich den Pass brauche, wenn ich dich wieder hierher zurückfahren soll.“ So sind wir dann nach Hellendorn gefahren, um seinen Pass zu holen. Ich wusste gar nicht, dass es so weit war. Ich war noch nie weiter wie Enschede gekommen. Er erzählte, wir haben uns gut unterhalten. Nach einer knappen Stunde waren wir in Hellendorn. Er stoppte vor einem hübschen Haus und holte den Pass. Ich weiß noch, dass seine Mutter etwas versteckt zum Fenster rausguckte. Wir sind zurückgefahren, haben in Enschede noch etwas getrunken und ich war pünktlich um elf Uhr wieder zu Hause.

Er hatte nun meine Adresse. In den nächste Tagen, so hatte er erzählt, musste er nach Genua. Er war ein netter Mann, ich habe mir weiter keine Gedanken gemacht. Nach ein paar Tagen kam Post von ihm aus Genua, dann ein Brief vom Persischen Golf, aus Port Said, danach einer aus Cork, Irland.

Ich konnte ihm nie zurückschreiben, weil ich keine Adresse hatte. Dann schrieb er, er komme zurück. Es war eine komplette Überraschung, als er mich von der Arbeit abholte. Aber dann war er wieder weg; wechselte zu Schell. Das ging dann so weiter. Nach einem Jahr schrieb er mir aus dem persischen Golf, ob wir nicht heiraten wollten. Er wollte eine Familie; wir kannten uns eigentlich kaum. Ich hatte aber jetzt auch eine Adresse, am Persischen Golf, wo ich hinschreiben konnte.

Im nächsten Jahr sagte er: „Ich kündige und suche mir eine Arbeit an Land. Ich nehme aber nur eine Arbeit an, wenn eine Wohnung dranhängt.“ Er hat dann in Getruidenberg, Nordbrabant, als Maschinen-Mechaniker, bei einer elektrischen Zentrale, die neu errichtete wurde, Arbeit und eine hübsche Wohnung gefunden. Ich wohnte mit meinen Eltern ja in dem alten Polizeihaus und diese Wohnung war im Vergleich sehr neu und schön. Mein Vater sah sich die Wohnung an; ich bin gar nicht hingefahren.

Wir heirateten im November 1962. Die Aufnahmen sind im Stadtpark gemacht worden. Da gab es noch keine Umgehungsstraße, da verlief zwischen den noch ein Weg, die Parkstraße.

In Nordbrabant habe ich dann 24 Jahre lang glücklich mit meinem Mann gelebt. In den 1980er Jahren zogen wir in ein Haus in Raamsdonksver, dem Nachbarort, um. Dort lebten wir zusammen nur noch vier Jahre. 1986 starb mein Mann im Ötztal bei einem Wanderurlaub an einem Herzinfarkt.

Als mein jüngster Sohn heiratete, zog ich wieder nach Gronau, zuerst in eine Wohnung, dann in ein Haus in Epe, und überließ ihm und seiner Familie das Haus. So wohnt der jüngste Sohn immer noch im elterlichen Haus.

 

Erzählt von Irene Heupink-Scholze, am 14.02.2019 in Gronau

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