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Verschickung deutscher Kinder in die Niederlande 1948-1950

Ein vergessenes Kapitel deutsch-niederländischer Geschichte

Kinderverschickung, Ankunft der Kinder am Bahnhof in Rotterdam, „Plaatselijk comité Pleegkinderen Buitenland“, ca. 1949, aus Bestand: AEKR 5WV 052 (Diak. Werk – Hilfswerk, Geschäftsstelle Düsseldorf)
 

Etwas verloren schauen sie schon drein, die 4-10 jährigen Kinder aus dem Rheinland und Westfalen, als sie im Frühjahr 1949 nach ihrer Ankunft auf dem Hauptbahnhof in Rotterdam von ihren Betreuerinnen in Empfang genommen werden. Jedes von ihnen trägt um den Hals eine Namens- und Adresskarte mit den nötigsten Angaben.

Das Foto stammt aus unserem neu erschlossenen Bestand Hilfswerk und dokumentiert eine beeindruckende Hilfsaktion der holländischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen, deren Überfall auf den Nachbarn 1940 und die anschließende vierjährige Besatzungszeit über 200.000 Todesopfer gefordert hatten. Alles begann im Juni 1949 mit einem überraschenden Angebot des „Interkerkelijk Bureau Pleegkinderen uit het buitenland“ (IKB) in Den Haag.

Hilfsbedürftige und mangelernährte deutsche Kinder solten die Gelegenheit erhalten, sich in den Niederlande bei ausreichender gesunder Ernährung und viel Bewegung in freier Luft zu erholen. Für die praktische Durchführung arbeitete das IKB mit dem niederländischen Roten Kreuz und in Deutschland mit dem Evangelischen Hilfswerk zusammen. Die Kinder wurden in holländischen Gastfamilien untergebracht, die sich nach Aufrufen ihrer Pfarrer im sonntäglichen Gottesdienst freiwillig für dieses Programm gemeldet hatten. Im September 1948 wurden bei einer Besprechung zwischen IKB und Hilfswerk die genauen Kriterien für die Auswahl der Kinder festgelegt. So wurde z. B. bei der Geschlechterverteilung ein Verhältnis von 60 % Mädchen zu 40 % Jungen angestrebt.

Bereits am 9. Dezember 1948 rollte der erste Transport mit 200 Kindern aus dem Rheinland und 300 Kindern aus Westfalen in die Niederlande. Eine Woche später reisten 53 evangelisch getaufte Kinder aus jüdischen Familien separat an. Die Benennung dieser Kinder erfolgte nicht über das Hilfswerk, sondern über Kontaktpersonen der International Hebrew Christian Alliance sowie der Vereinigung der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen e. V.  Mitte März 1949 traten beide Gruppen die Heimreise an. Nach zeitgenössischen Presseberichten („Pausbäckig zurückgekehrt“) war der Packwagen dieses Sonderzuges mit 1.600 Geschenkpaketen der niederländischen Gastgeber gefüllt. Drei weitere Transporte schlossen sich bis zur Einstellung des Programms Anfang 1950 an. 1.760 Kinder aus Nordrhein-Westfalen konnten so für drei Monate der größten Not entrinnen und -physisch wie psychisch- neue Kraft sammeln. Insgesamt nahmen die Niederlande damals 69.000 (!) Kinder aus allen Regionen Deutschlands, aber auch aus Österreich, Ungarn und Frankreich auf.

Dieses berührende Kapitel der Nachkriegsgeschichte ist heute leider weitgehend vergessen. Einzig der frühere TAZ-Redakteur Henk Raijer hat hierüber vor knapp 20 Jahren einen informativen Beitrag verfasst.

 

Dieser Artikel stammt von Dr. Stefan Flesch und wurde am 05.09.2018 auf blog.archiv.ekir.de veröffentlicht. Auf euregio-history.net erscheint mit freundlicher Genehmigung des Verfassers eine Kopie.

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