Passierscheine, Kontrollscheine und Kontrolllisten für Mensch und Vieh waren Ausdruck einer überbordenen Grenzzollbürokratie, die aber letztlich nicht wirksam war. Über die ständigen lästigen Kontrollen der Landbevölkerung im Zollgrenzbezirk in den Zeiten zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg berichtet Berend Hindrik Nyhoff aus Gölenkamp.
Kontrollscheine und -listen waren Auflagen, die sich die Regierung ausgedacht hatte. Sie glaubte, die Angelegenheit sei damit bestens geregelt, aber da hatte sie sich geirrt. Die Schmuggler waren einfach cleverer. Wenn das Vieh auf unserer Seite teurer war als in Holland, dann wurde natürlich versucht, und das gelang auch meistens wohl, etwas über die Grenze zu holen. Die Nachtzeit war dabei ein guter Helfer und die Kammisen konnten ja auch nicht überall sein. Wie man dann mit den Kontrolllisten zurrechtkam, weiß ich nicht. Die Kammisen [Zöllner] sagten damals: Wer am meisten schmuggelt, hat die Kontrolllisten am besten in Ordnung.
Die ganz Schlauen konnten das sogar am hellichten Tag. Es wurde erzählt, dass in Lage jemand mit dem Güllewagen Ferkel geschmuggelt hatte. Wie ihm das gelungen war, das war zu schön, und daher muss ich es eben erzählen: Vor dem Krieg hatten die Bauern, die dicht an der Grenze lagen, meistens noch etwas Land in Holland liegen. Nach dem letzten Krieg haben die Holländer dieses Land beschlagnahmt, und die meisten Deutschen haben es auch nicht zurückbekommen. Und so war das auch mit diesem Bauem, der hatte ein Stück Land in Holland. Die Ferkel waren an unserer Seite ziemlich teuer, und in Holland billig. Am Tag vor dem Neuenhauser Markt begann er nun Jauche zu fahren nach Holland. Das Fass war leer, aber von außer hatte er es anständig schmutzig gemacht, mit Gülle aus der Jauchegrube. Das roch wirklich nicht gut und kein Zöllner ging näher als zehn Schritte heran.
Aus Holland bracht er dann jedes mal ein paar Ferkel mit. Am anderen Tag fuhr er dann mit einer schönen Anzahl Ferkel zum Neuenhauser Markt.
Über diesen Streich ist später, bei den winterlichen Besuchen wenn man um den Ofen saß, noch oft gelacht worden.
Aber immer gelang es den Schmugglern auch nicht. Manchmal mussten sie das geschmuggelte Vieh unterwegs laufen lassen, um sich selber in Sicherheit zu bringen. Dann hatten sie die Hosen ganz schön voll. Noch schlimmer konnte es kommen, wenn die Zöllner die Schmuggler zu packen kriegten. Dann musssten sie vor den Richter und kamen vorläufig aus dem Gefängnis nicht heraus.
Es wurde nicht nur Vieh geschmuggelt, sondern auch Kaffee, Tee, Tabak und was es noch alles gab, und in Holland billiger war als bei uns. Holland hatte seine Besitzungen in Übersee ja bis nach dem zweiten Weltkrieg, und das machte bei den Preisen wohl ziemlich was aus.
Auf unserer Seite gab es damals eine ganze Reihe Familie, wo es finanziell stramm um die Ecken ging. Man braucht nur an die Leute zu denken, die sich im Moor neu angesiedelt hatten. Da gab es vorläufig keine Reichtümer. Sie wohnten alle dicht an der Grenze, und man kann sich sehr gut vorstellen, dass sie gerne dort einkauften, wo es am billigsten war. Das war zwar nicht ganz ungefährlich, aber wer regelmäßig schmuggelte, kannte sich damit ganz gut aus.
Mich hätte man dort nicht gebrauchen können, dem mir hätten die Zöllner sofort am Gesicht angesehen, wenn ich etwas unter der Jacke gehabt hätte. Darum habe ich damit auch gar nicht angefangen.
Berend Hindrik Nyhoff: Schienhalen en Schmukkeln. Ut aute Tieden. ln: Bentheimer Jahrbuch 1992, S. 268-270. (Übersetzung: Andreas Eiynck)