Mein Vater Hermann Meyer lebte auf einem Bauernhof bei Neuringe, Twist. Am 6. April 1944 hütete er Schafe, als er plötzlich ein pfeifendes, ohrenbetäubendes Geräusch hörte: Einige hundert Meter von ihm entfernt bohrte sich ein brennendes Flugzeug in den Moorboden. Es war eine amerikanische Maschine, die sich auf dem Rückflug vom Bombenangriff der Alliierten auf Berlin befand und von deutschen Jagdfliegern getroffen worden war. Von der siebenköpfigen Mannschaft konnten sich zwei Insassen per Fallschirm retten. Einer davon war Raymond R. Newmark. Mein Vater fand den Amerikaner und half, den Schwerverletzten in ein benachbartes Bauernhaus zu bringen. Dort wurde er für einige Stunden von den Bewohnern verpflegt bevor er in ein Lazarett nach Lingen transportiert wurde. Monate später kam er im Zuge eines Gefangenenaustausches frei.
Viele Jahre später suchte Newark nach seinem Retter. Über einen niederländischen Freund ließ er die Geschichte in der regionalen Presse verbreiten, blieb aber erfolglos. Er weitete die Suche mit Hilfe der Presse auch auf das deutsche Grenzgebiet aus. Ich las dann darüber in einer Meppener Zeitung. Da ich die Geschichte von meinem Vater kannte, sprach ich ihn darauf an. Ja, sagte er, das bin ich gewesen.
Im Mai 1991 haben sich die beiden getroffen, nachdem die Zeitungen den Kontakt vermittelt hatten. Nach 47 Jahren ist der damals Abgestürzte mit seiner Familie hierher gekommen, um seinen Retter zu besuchen. Er habe immer gesagt: "Ich möchte den Mann wieder finden!" erzählte er uns. Er freute sich sehr, dass das Treffen zustande kam und betonte mehrere Male: "What a beautiful day!" Später gab es noch viel Briefkontakt; auch nachdem mein Vater im Januar 1992 verstorben war, habe ich noch für einige Jahre Kontakt gehalten.
Von den Kinder von Raymond Newmark hörte ich, dass ihr Vater sein ganzes Leben diesen Kontakt wollte. Nachdem mein Vater aber gestorben war, sprach er nie wieder darüber.
BIldquelle: Grafschafter Nachrichten, 9.5.1991