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Das Schmuggelkind

Keine Körperkontrolle bei Kindern

Foto Angelika Thoms das "Schmuggelkind"
 

Meine Eltern sind aus Schlesien vertrieben worden, wir haben in den ersten Jahren meiner Kindheit ­– ich wurde 1947 geboren - in Notunterkünften gewohnt. Um Geld zu verdienen hat meine Mutter in den 1950er Jahren als Näherin in Winterswijk bei der Firma Hasewind gearbeitet. Hier in Borken hatte sie keine Arbeit gefunden und dann rein zufällig erfahren, dass sie sich in Holland bewerben kann, da sie Schneiderin war. Sie fuhr mit dem Bus morgens zur Arbeit und abends mit dem Bus wieder zurück. Nun war das so, dass auch die Grenzgänger am Zoll regelmäßig kontrolliert wurden, insbesondere wegen Kaffee, Kakao und Zigaretten.

Was ich von meiner Mutter weiß, daß sie überwiegend Zigaretten geschmuggelt hat. Sie hatte ihre Versicherungskarte in der Brieftasche. Die Karte wurde zusammengeklappt und da waren Zigaretten drin. Es passten immer genau 6 Zigaretten rein.

Es war so, dass die Lohnzahlungen in 14tägigem Rhythus erfolgten, in bar. Das bedeutete für die Zöllner, dass dann sicher auch Ware von Holland nach Deutschland geschmuggelt wurde. Die Frauen wurden, das weiß ich von meiner Mutter, von weiblichen Kontrolleuren, in eine Fummelkammel geschickt. Dort wurde kontrolliert, ob unter dem Korsett auch noch was versteckt war. Irgendwann kam dann meine Mutter auf die Idee, dass ich doch regelmäßig an diesen Lohntagen tagsüber mit dem Bus nach Holland fahren und mit ihr dann wieder zurückkehren könnte. Ich bin allein hingefahren, ich war vermutlich erst in der ersten Klasse. Und abends sind wir zusammen mit dem öffentlichen Bus wieder zurück nach Borken gefahren, mit allen anderen Grenzgängern, den Arbeiterinnern und Arbeitern aus Deutschland.

Ich hatte dann auch Schmuggelware dabei – als Kind durfte ich nicht kontrolliert werden. Die Schmuggelware hatte ich unter meiner Jacke, mit einem Tuch unter dem Pullover befestigt.

Ich wurde nur von den Zöllnern befragt, ob ich etwas bei mir habe, was die Mutter gekauft hätte. Das habe ich natürlich verneint. Die Schmuggelwaren waren nur für den eigenen häuslichen Gebrauch.

Da meine Mutter befürchtete, dass diese Regelmäßigkeit dann irgendeinmal auffallen würde, wurde ich zwischendurch in den Schulferien oder anderen freien Tagen in eine holländische Familie nach Bredevort eingeladen. Die Frau war eine Arbeitskollegin meiner Mutter. Es entstand ein freundschaftliches Verhältnis und ich wurde öfters dahin eingeladen, um Niederländisch zu lernen, um die Familie, um Bredevort kennenzulernen. Und dann konnte ich den Zöllnern jeweils sagen, dass ich Freunde besucht habe.

Um das Ganze für die Zöllner zu unterstreichen, wurde mir von der holländischen Familie auch Kleidung geschenkt, die ich anziehen musste, obwohl sie mir nicht gefallen hat. Denn zu dem Zeitpunkt trugen Mädchen in Deutschland beispielsweise noch keine Hosen. Das kam erst viel später. Es bestand ein großer Unterschied zwischen Deutschland und Holland von der Kleidung her: In der Näherei, wo meine Mutter gearbeitet hatte, wurden auch Hosen genäht für Frauen. Und was ich musste ich anziehen? Eine hellblaue, dreiviertellange Hose, die mir nicht gefiel und wegen der ich bei den Klassenkameraden aufgezogen wurde: Das „Pollakenkind in Hose“. Hinzu kam, dass ich keine Stoffkleidung hatte: Meine Mutter hat mich immer bestrickt.

Letztendlich ist dieses Schmuggeln nie aufgefallen. Das Ganze ist durchgezogen wurde, bis meine Mutter mit der Arbeit dort aufhörte. Sicherlich sechs Jahre. Zur der Familie aus Bredevort habe ich noch lange Kontakt gehabt.

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