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Zwei kämpfende Adler ...

und die Folgen für das emsländische Schifferstädtchen Haren

Siegessäule im Wilhelmina-Park in Breda. Der polnische Adler schlägt den deutschen Adler. (Foto: Ton Diepstraten).
 

Im Wilhelmina-Park der niederländischen Stadt Breda (Nord-Brabant) steht eine Siegessäule mit zwei kämpfenden Adlern. Der Adler ist das jeweilige Symboltier auf den Landeswappen von Deutschland und Polen. Auf der Siegessäule ist dargestellt, wie der polnische den deutschen Adler schlägt. Die beiden kämpfenden „Könige der Lüfte“, die Macht, Gewalt und Freiheit symbolisieren, stellen zwei Nationen im Konflikt dar. Polnische Armeeeinheiten hatten während des Zweiten Weltkrieges unter britischer Führung Ost- und Nordholland befreit und waren auch durch die norddeutsche Tiefebene bis Wilhelmshaven vorgestoßen. Allerdings bleibt oftmals der Anteil der polnischen Exilstreitkräfte an der Befreiung Europas unerwähnt. Als Dank für ihre Dienste wurde Polen ein Besatzungsgebiet in Deutschland, jedoch mittig und nicht im Grenzgebiet beider Staaten, zugewiesen. Einer der Gründe hierfür mag gewesen sein, dass die endgültige Grenze noch nicht festgelegt gewesen ist.

Dies ist die Geschichte, wie aus Haren für kurze Zeit Maczków wurde.

Alles begann mit Massen befreiter Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener (sog. Displaced Persons (DPs) – dt. entwurzelte Menschen), die sich zum Ende des Krieges ins Münsterland und heutige Niedersachsen durchgeschlagen haben. Um sie aufzufangen und zu sammeln, wurden Lager eingerichtet. Das Emsland hatte sich hierfür angeboten, denn es war wenig vom Kriegsgeschehen betroffen gewesen und wies zudem große Lagerkapazitäten auf. Die DPs wurden dort nun in die Obhut polnischer Militäreinheiten gegeben. Deren erste Aufgabe war es gewesen, Wohnquartiere einzurichten. Diese waren längerfristig erforderlich, weil es Probleme mit dem Rücktransport der DPs gegeben hat. Stalin hatte es durchgesetzt, dass zunächst alle (!) sowjetischen Kriegsgefangenen und DPs zurückgeführt werden sollten.

Deshalb befahlen britische Militärbehörden im Mai 1945 großen Teilen der Bevölkerung, ihre Häuser binnen drei Tagen zu räumen. So erging es auch den Menschen des alten emsländischen Städtchens Haren. Nun zogen ca. 5000 neue Bewohner in die Stadt ein. Aber sie campierten nicht bloß, sondern etablierten sich. Das war ein in dieser Weise einmaliger Vorgang:

Haren wurde eine polnische Stadt mit dem neuen Namen, Maczków – zu Ehren des geschätzten und erfolgreichen Panzergenerals Maczek. Straßen bekamen einen polnischen Namen. Eine funktionierende Verwaltung entstand. Es wurden polnische Schulen (u.a. ein klassisches Gymnasium und ein weiteres mit technischer Ausrichtung) und Kinderhorte eingerichtet. An diesen Schulen wurde nach polnischem Lehrplan unterrichtet und für die Fortbildung der jüngeren Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen gesorgt. Am Gymnasium wurde nachweislich von 98 Schülern die Abiturprüfung abgelegt. Hier wirkte Dr. Zimmer als Vorsitzender des Polnischen Lehrerverbandes, der das polnische Schulwesen auch in den drei Westzonen maßgeblich beeinflusste. Es fanden Theateraufführungen in zwei Theatern und Konzerte statt und eine Zeitung wurde gedruckt. Und selbstverständlich fanden Sportveranstaltungen statt. Der „Emsländische Dom“ wurde für die katholischen Polen beschlagnahmt. Polnische Priester betreuten die Gestrandeten des Krieges und des Militärs. Für die katholischen Emsländer war die Kirche ab nun gesperrt, sodass sie auf den Bauernhöfen in der Umgebung Gottesdienste feierten. Die standesamtlichen Akte wurden freilich von der polnischen Kirche durchgeführt, denn es wurde gelebt, geliebt, geheiratet, getauft, gestorben. So gab es nach den Eintragungen in den Kirchenbüchern 479 Taufen, 289 Trauungen und 101 Beerdigungen. Ein besonderes Ereignis: Am 12. Juni 1945 fand eine Massenhochzeit mit 82 Paaren statt, wobei die Bräute mit Schleiern aus den Gardinen der Harener Häuser erschienen.

Die Entwicklung schien positiv zu verlaufen. Polen hatte ein Besatzungsgebiet in Deutschland und die Polen richtete sich hier ein, bis ...
… zum Februar 1946, als die Ems über die Ufer trat und die Stadt Haren/Maczków in den Fluten versank. Darüber hinaus herrschte ein bitterkalter Winter, sodass die Menschen das hölzerne Mobiliar, Holztreppen usw. verbrannten, um sich zu wärmen. Die Lebensbedingungen hatten sich nun aufgrund dieser schweren Zerstörungen erheblich verschlechtert, sodass die britische Militärbehörde die polnische Repatriierung ins Auge fasste. Die Proteste der polnischen Militärs und der Stadtverwaltung blieben, auch in Hinblick auf die politischen Veränderungen in Polen und dem Einfluss Stalins, unbeachtet. Zwischen 1947 und September 1948 verließen die polnischen Familien Maczków, die am 4. August 1948 wieder in Haren umbenannt wurde. Gleichzeitig wurden die DPs aus dem Emsland in andere norddeutsche Lager gebracht und die polnischen Streitkräfte aufgelöst.

Als nun die Harener zurückkehrten, fanden sie ihre Häuser und Wohnungen in einem äußerst desolaten Zustand wieder, was Zorn und Hass auf die Polen bewirkte. Nach Abzug der letzten Polen aus Haren wurde ein Dank-Gottesdienst im „Emsländischen Dom“ gefeiert. Heute findet man in Haren keine Spuren der ehemals polnischen Stadt. Viele Jahrzehnte war auch Distanz zum Osten und gerade zu Polen gegeben. Seit einigen Jahren ändert sich dieses Verhältnis jedoch zum Besseren.

Maczków ist bis heute ein fester Bestandteil der polnischen Geschichte. Der Schriftsteller Tadeusz Nowakowski schrieb 1946 über diesen „Nabel der DP-Welt“:

„Kleines Maczków – Zuflucht der armen Kerle,
die dorthin aus allen Teilen der Welt gekommen sind.

Hier an der Ems ist ihr Mekka,
wo der Mensch eine Behausung sucht und einen Winkel für sich ...“

 

Literaturhinweise
Rüdiger Gollnick: Fremd im Feindesland – Fremd im Heimatland. DP-Lager und Rheinwiesen-Lager. Spurensuche 1945 am Niederrhein. Goch 2017.
Sten Martenson:– Vor 70 Jahren. Als das Emsland polnisch war. (deutschlandradiokultur, Länderreport (08.05.2015).
Jan Rydel: Die polnische Besatzung im Emsland 1945-1948. Osnabrück 2003.

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