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Heiraten über die Grenze

Eine normale Familiengeschichte aus Nordhorn

Bärbel Schmale auf dem Fahrrad.
 

Mein Großvater Geert väterlicherseits war Niederländer, er wurde in Emmen geboren. Er heiratete Gesina Anna aus Nordhorn; zusammen lebten sie in Nordhorn. Die Urgroßmutter fand die Verbindung nicht gelungen, hauptsächlich weil Geert mittellos war.

Johann, der viertälteste Sohn von Gesina Anna und Geert wurde 1915 in Nordhorn geboren. Als Platzanweiser im Kino lernte er seine Frau Juliana kennen. Der Vater von Juliana war bei Povel (Textilunternehmen) als Nachtwächter tätig. Für Julianas Vater war es in Ordnung, dass der Vater seines künftigen Schwiegersohnes Niederländer war.

1939 wurden alle Niederländer in Nordhorn interniert. Um dem zu entgehen wollten Johann und Juliana heiraten. Johann wurde jedoch bereits davor interniert. Juliana ging zum Gauführer, um für ihn einen Freispruch zu erlange – vergebens. Dann schrieb sie einen Brief an Hitlers Schwester, mit der Bitte, sich für Johann einzusetzen (der Brief wurde nach dem Krieg verbrannt). Die Antwort von Hitlers Schwester lautete, sie würde sich einsetzen, wenn Johann Deutscher werden würde und damit auch Soldat werden würde. Dieses Angebot nahmen sie an und konnten dann auch heiraten. Bald nach der Geburt der ersten Tochter rückte Johann ein. An der Front erlitt er einen Kniedurchschuss und kam ins Lazarett. Nach einem kurzen Aufenthalt in Nordhorn wurde er in Belgien (Flandern) eingesetzt, um das okkupierte Gebiet zu sichern. Hier agierte er wieder mehr als Niederländer und schloss Freundschaften mit der zivilen Bevölkerung. Nach dem Krieg kam Johann in amerikanische Kriegsgefangenschaft und musste nach Kanada. Nach dem zweiten Weltkrieg betrieb Johann grenznahen Tauschhandel mit den umliegenden Bauernhöfen betrieben, dies nannte man ‚hamstern’.

Zuhause wurde nur hochdeutsch gesprochen, Niederländisch wurde in der Familie nicht weitergegeben. Meine Eltern sprachen mit den Großeltern Plattdeutsch. Als Kind bin ich in den 1960er Jahren viel mit dem Fahrrad zu Grenze gefahren, dort musste ich mich ausweisen. Auf niederländischer Seite wurde Kaffee und Butter gekauft. Durch das Verstecken von Ware in der Kindersocke und dem Unterkleid konnte man mehr Ware über die Grenze bringen, denn Kinder wurden wenig kontrolliert. Ein Grenzübergang war etwas sehr Besonderes; ich ging auch nur mit den Geschwistern hinüber. Wir wussten auch, dass es illegal war, Dinge in der Kleidung über die Grenze zu schmuggeln.

In meiner Schulzeit habe ich erfolgreich bei den Bundesjugendspielen teilgenommen. Nachdem ich bei den Wettbewerben erfolgreich war, traten wir auch gegen die anderen Schulen in Wettbewerben an, schließlich auch in Coevorden. Der Wettkampf war, trotz des grenzübergreifenden Wettbewerbs, vom Gefühl nichts anderes als ein normaler Wettkampf. Feindseligkeiten gegenüber den Nationalitäten gab es nicht, der Sport stand im Vordergrund.

Das Leben an der Grenze war für mich immer alltäglich. Gerne gingen wir in den 1980er Jahren auch in die Diskothek in den Niederlande. Anfang der 1990er Jahre kauften wir ein Ferienhaus auf Ameland. Die Niederländer wirkten stets sehr liberal und offen – auch wechselseitig waren die Beziehungen stets gut. 

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