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Der Zweite Weltkrieg

Bericht von Hubert Feldhaus, Alstätte / Kreis Borken

Foto Zerbomte Kirche in Alstätte 1945.

Der Überfall auf das neutrale Holland wurde genau von der Deutschen Wehrmacht geplant. Man merkte das auch in Wüllen (Ahaus): Am 1. Januar 1940 müssen zwei Klassenräume in unserer Schule geräumt werden, die mit Militär belegt wurden. Für den Unterricht standen nur 4 Unterrichtsräume zur Verfügung. Die Stärke, der Wechsel der Truppen und die Waffengattung durften nicht genannt werden. Das war geheime Kommandosache!

Die Quantwicker Schulchronik berichtet: "Im Januar 1940 erhielt das Grenzland im Westen viel Einquartierung, so auch die Quantwicker Schule. Vom 20. Januar bis zum 23. Februar 1940 kam ein Zug Granatwerfer von der 13. Kompagnie eines Infanterieregimentes, 35 Mann stark und 55 Pferde. Abgelöst wurde diese Truppe durch eine dreimal so starke Truppe, nämlich die 8. Kompanie desselben Regiments mit Maschinengewehr. Nach Abzug dieser Truppe kam eine neue vom 24.April bis zum 10. Mai 1940." (Zitat aus der Schulchronik)

Am 9. Mai wurden die Kompanien in Wüllen und Quantwick alarmiert. Ab 9.30 Uhr rückten die Kompanien ab. Am folgenden Tag hörte man hier um 6 Uhr Detonationen, die von Brückensperrungen in Holland herrührten. Morgens um 4.30 Uhr am 10. Mai war nämlich ie deutsche Wehrmacht in Holland eingerückt. Die hier einquartierte Kompanie hatte am 13. Mai Feindberührung. Einige Tage später hatte man auch schon hier die Nachricht, dass die Kompanie mehrere Verwundete hatte. Stolz verkündete der Chronist der Schulchronik: „Fünf Eiserne Kreuze waren der Lohn für das tapfere Verhalten der Kompanie.“

1942, am 22. Januar erfolgten alliierte Luftangriffe auf Enschede. 21 Tote waren das Ergebnis eines aliierten Angriffs auf westliche Teile der Stadt. Die Haaksbergener Straße sowie die nahegelegene Ortschaft Usselo waren betroffen.

Am 12. August 1943 ging in Alstätte-Brook ein amerikanischer Bomber nieder, der bei einem der ersten Tagesangriffe auf das Ruhrgebiet durch Flak und Jäger beschädigt worden war. Die zehn Männer Besatzung und ein Pilotenbeobachter gerieten in Gefangenschaft.

Am 10. Oktober 1943 flogen die Alliierten einen Angriff gegen Coesfeld und Münster in Westfalen sowie gegen den Flughafen Twenthe, der aber verteidigt wurde. Deshalb wurde auf die Stadt Enschede ausgewichen, in der sich wegen des schönen Wetters viele Einwohner auf den Straßen bewegten. Es gab 151 Tote und 104 Schwerverletzte, erheblichen Schaden erlitten auch das Arbeiterviertel Pathmos sowie die Stadtviertel Hochland und Zwick.

An diesen Luftangriff erinnert sich meine Schwester Gertrud wie folgt: „Die Stelle, wo ich mich befand, als Enschede bombardiert wurde, kann ich heute noch jedem zeigen. Ich konnte kaum vor Angst laufen. Ich war froh, als ich zu Hause war. Ich rannte in die Küche, aber keiner war da. Ich schrie laut nach meiner Mutter. Wo war sie eigentlich? Ich lief durch die Waschküche, über die Tenne nach draußen. Vor der Tennentür stand meine Mutter mit meinem Bruder Hubert. Sie zeigte dem völlig verängstigten Hubert die Bomber in der Luft und erklärte ihm, dass sie nach England zurückflogen. Als mein Bruder das sah, wich die große Angst langsam von ihm. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen. Ich glaube, ich hatte einen Schock erlitten.“

Ab Herbst 1944 kam mein Vater zum Volkssturm. Er wurde sonntags zu Schanzarbeiten in Averesch eingesetzt.

Am 22. März 1945 meldeten sowohl Engländer als auch Deutsche, dass sehr viele Bomberverbände über Holland und England in der Luft waren. An diesem Tag wurde Alstätte Ziel eines Angriffes britischer Bomber vom Typ Mitchell. Dieser Bombertyp hatte 5 Mann Besatzung, war bestückt mit 6 Maschinengewehren und konnte maximal 2700 kg transportieren. Auf Alstätte fielen 88 Bomben mit einem Gewicht von 20 t. Der Dorfkern wurde völlig zerstört und 81 Menschen - Dorfbewohner, deutsche Soldaten, russische Kriegsgefangene und dienstverpflichtete Niederländer fanden dabei den Tod.

Ich erinnere mich, dass an diesem Tag ein Rumpsen, Dröhnen und Zittern in der Luft lag. Während des Angriffes befand ich mich in der Schule in Alstätte-Brook. Die Bombeneinschläge waren deutlich zu hören, wir ließen uns auf den Boden unter die Bänke fallen. Später konnten wir nach Hause gehen. Von diesem Tage an hatten wir keinen Schulunterricht mehr.

Mein Bruder Heinrich hat dieses Ereignis als 13jähriger Junge in fürchterlicher Erinnerung. Er musste mit meinem Vater zur Frühjahrbestellung auf unseren Acker. Mit angespannt wurde ein junges Pferd, das er leiten musste. Während dieser Arbeit näherten sich von Holland viele Bomber, Jäger, Tiefflieger und es wurde sehr laut. Er bat meinen Vater, die Arbeit zu unterbrechen und in den nahen Wald zu gehen. Meinte Vater lehnte zuerst ab mit den Worten: Wir müssen doch mit der Frühjahrsbestellung fertig werden. Ein wenig später verließen mein Bruder und mein Vater den Acker und brachten sich im Wald in Sicherheit. Dann hörten sie starke Bombeneinschläge. Nach Beruhigung der Lage kamen sie aus dem Wald und sahen in südlicher Richtung große Rauchschwaden und Feuer. Mein Bruder tippte auf einen Angriff auf Alstätte. Er sollte Recht behalten. 65 Wohnhäuser wurden zerstört oder stark beschädigt.

Während des Krieges lag unser Haus in der Luftschneise der Bomberverbände, die in England starteten. Wenn diese Verbände anrückten, kletterte mein Bruder in einen Lindenbaum, um die Bomber zu zählen. Sichtschutz bot das Laub. Ich war oft Augenzeuge, wenn er laut die Flugzeuge zählte. Dabei stand ich unter dem Baum.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der schon bestehende Flugplatz Twente nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 durch die deutsche Luftwaffe zum Fliegerhorst ausgebaut. Ab Mai 1941 wurde Twente eine wichtige Nachtjagd-Basis und wurde zunächst Heimat der Bf 110 der III. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 1 (III./NJG 1), die hier mit einer kurzen Unterbrechung im Frühjahr 1944 bis September 1944 lag. Neben der Bf 110 kam 1944 zusätzlich die Ju 88 G zum Einsatz.

In fürchterlicher Erinnerung sind mir die vielen nächtlichen Abwehrkämpfe. Nachts, wenn Alarm ertönte, wurden wir geweckt und mussten nach draußen, denn es könnte ja eine Bombe oder ein Flugzeug auf unser Haus fallen bzw. stürzen. Dann war der Himmel hell erleuchtet und die Flugzeuge kämpften gegeneinander. Schrecklich waren das Dröhnen der Flugzeuge, das Knattern der Maschinengewehre und der Flakgeschütze. In schlimmer Erinnerung ist mir heute, wie bei einem Luftkampf ein Flugzeug angeschossen wurden, ausscherte und brennend zu Boden stürzte. Für mich sah es so aus, als wenn es in unser Nachbarhaus stürzte. Das war aber nicht so. Am nächsten Tag erzählte mir meine Mutter, dass es im Amtsvenn abgestürzt sei. Diese Nächte, die gegen Kriegsende immer häufiger wurden, sind für mich die schrecklichsten Ereignisse. Dauernd hatte ich Bauchschmerzen und suchte die Nähe meiner Mutter oder meines Vaters.

Drei Bomben fielen fast gleichzeitig in der Nähe meines Elternhauses: Eine in Klein Köln in der Nähe des Amtsvennes, auch "Klein Köln" genannt, eine zwischen Hemling und Onkel Henrich Feldhaus in den Niederlanden und eine im Wäldchen auf dem Weg nach Große Hündfeld. Bei diesen drei Bombenabwürfen war mein Bruder bei unserem Nachbarn Wissing im Wirtschaftsteil des Hauses. Es knallte furchtbar und durch den Luftdruck hoben sich die Dachpfannen hoch, die Türen öffneten sich, teilweise löste sich der Putz und Staub wurde aufgewirbelt. Mit meinem Bruder Heinrich habe ich den Bombentrichter in der Nähe bei Große Hündfeld am nächsten Tag aufgesucht. Ich erinnere mich noch gut daran, dass am Rande des Bombentrichters ein toter Hase lag. Mein Bruder sagt heute: „Bei diesem Bombenabwurf gab es sechs Tote, nämlich einen Hase, drei Kaninchen, zwei Dohlen."

Anfang Mai 1945 kapitulierte die deutsche Armee in den Niederlande.

Beim Einmarsch der Alliierten an Ostern 1945 (1. und 2. April 1945) verließen viele Familien ihre Wohnungen und gingen zu Verwandten und Bekannten, die abseits der Durchgangstraßen lagen. Dazu gehörte auch unser Haus, das nur auf schlechten Sandwegen zu erreichen war. Zu uns - unser Haushalt bestand aus 7 Personen - kam die Familie Hermann Feldhaus mit 8 Personen und die Familie Franz Feldhaus mit 5 Personen. Es übernachteten in unserem Haus 20 Personen, sieben Erwachsene und dreizehn Kinder. Es musste notdürftig Schlafraum geschaffen werden. Gerne erinnere ich mich noch, dass uns am Ostersontag der Osterhase besucht hat. Meine Mutter und eine Schwägerin haben mit Kleiderfarbe die Eier grün und blau gefärbt und sie hinter der Scheune am Waldesrand versteckt. Es war eine Riesenfreude für uns Kinder, die Ostereier zu suchen und auch zu finden. Jedes Kind erhielt 2 bunte Eier.

Nach diesen aufregenden und schrecklichen Tagen waren alle froh, dass der Krieg für uns vorbei war.

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